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Aktuelles

International Conference: THE UNITED NATIONS CONVENTION AGAINST TRANSNATIONAL ORGANISED CRIME TURNS 25

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6-7 June 2024 at Schloss Wahn

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Bericht Gastvortrag Prof. Dr. Nisco

Am 23.01.2024 hielt Herr Prof. Dr. Attilio Nisco, Strafrechtslehrer an der Università di Bologna, einen Vortrag im Rahmen der Gesprächsreihe Internationales Strafrecht zu „Organisationsverschulden als Zurechnungskriterium der Verantwortlichkeit juristischer Personen“.

Zu Beginn seines Vortrages stellte Prof. Nisco zunächst die beiden Ansätze (Zurechnungsmodell und Verbandshaftung) zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen gegenüber. Während das Zurechnungsmodell an die Verantwortlichkeit der für die juristische Person tätigen natürlichen Personen anknüpfe und damit praktisch einen Schuldtransfer vom Individuum auf das kollektive Rechtssubjekt ermögliche, gehe das Modell der Verbandshaftung demgegenüber von einer unmittelbaren Verantwortlichkeit juristischer Personen für ihr eigenes Handeln aus. Hintergrund der Verbandshaftung sei die Pflicht juristischer Personen, durch organisatorische Maßnahmen betriebsbezogene Straftaten zu verhindern. In der Verletzung der Selbstorganisationspflicht und der daraus resultierenden Straftat kann nach Prof. Nisco zwar durchaus eine eigene Tat der juristischen Person gesehen werden. Der Vorwurf des Organisationsverschuldens sei jedoch gerade nicht persönlicher Art wie bei natürlichen Personen und könne daher nicht die Ebene der Schuld, sondern lediglich die des Unrechts betreffen.

Durch eine Kombination der beiden Begründungsansätze habe man sich in Italien mit dem Dekret Nr. 231/2001 für eine „verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit“ juristischer Personen entschieden: Grundvoraussetzung sei dabei – ähnlich wie beim Zurechnungsmodell – die Begehung einer gesetzlich bestimmten Anlasstat durch natürliche Personen, die in einem besonderen Verhältnis zur juristischen Person stünden und in deren Interesse oder zu deren Vorteil handelten. Darüber hinaus sei erforderlich, dass das Unternehmen gerade keine organisatorischen Maßnahmen zur Verhinderung solcher Straftaten getroffen habe. Eine Verantwortlichkeit der juristischen Person scheide daher aus, wenn ein geeignetes und effektives Compliance-Programm bestehe. In diesem Zusammenhang skizzierte Prof. Nisco die Entwicklung der italienischen Rechtsprechung, die durch das Urteil des Kassationsgerichtshofs im Fall „Impregilo“ einen Richtungswechsel erfahren habe. So war zuvor für die Verantwortlichkeit juristischer Personen insbesondere entscheidend, ob die natürliche Person im Interesse oder zum Vorteil des Unternehmens handelte, während dem Kriterium des Organisationsmangels kaum Bedeutung zukam. Nunmehr sei aber zum einen ein Risikozusammenhang zwischen der Anlasstat und der Organisationspflichtverletzung des Unternehmens – ähnlich der objektiven Zurechnung im deutschen Recht – erforderlich. Zum anderen müsse der Beweis geeigneter organisatorischer Maßnahmen nicht mehr von dem betroffenen Unternehmen selbst erbracht werden, sondern der Nachweis eines ineffektiven Organisationsmodells obliege nun der Staatsanwaltschaft.

Abschließend widmete sich Prof. Nisco zwei aus seiner Sicht entscheidenden Fragen im Hinblick auf das Organisationsverschulden als maßgebliches Kriterium für die Verantwortlichkeit juristischer Personen. Neben der Frage danach, wie das Kriterium des Organisationsverschuldens weiterentwickelt werden könnte, sei ohnehin fragwürdig, ob dieses überhaupt geeignet sei, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen zu begründen. Zwar könnten im Rahmen des Organisationsverschuldens demnächst auch subjektive Umstände berücksichtigt werden, die sich auf die „Persönlichkeit“ des Unternehmens beziehen – so etwa wenn die Erfüllung der Organisationspflichten der juristischen Person subjektiv nicht möglich sei. Aber auch eine solche Weiterentwicklung würde das Grundproblem, dass juristische Personen eben nicht wie natürliche Personen schuldhaft handeln können, nicht lösen. Zudem bliebe auch offen, ob und wie die strafrechtlichen Normen des Allgemeinen Teils auf juristische Personen anwendbar seien. Prof. Nisco plädierte daher für eine – nur strafrechtsähnliche – verwaltungsrechtliche Sonderform der Verantwortlichkeit juristischer Personen.

In der anschließenden Diskussion wurden diese Anregungen noch einmal aufgegriffen und die Rechtslage in Italien und Deutschland kritisch hinterfragt.

Marie Coenen

Gastvortrag von Prof. Dr. Attilio Nisco

Das Institut für ausländisches und internationales Strafrecht lädt im Rahmen der Gesprächsreihe Internationales Strafrecht ein:

Prof. Dr. Attilio Nisco

Titel: Organisationsverschulden als Zurechnungskriterium der Verantwortlichkeit juristischer Personen

Datum: 23.01.2024

Zeit: 18:00 Uhr

Ort: Seminarraum 0.102, Sibille-Hartmann-Str. 2–8, 50969 Köln

Veranstaltungsplakat

Please save the date: International Conference June 6 -7 2024

THE UNITED NATIONS CONVENTION AGAINST TRANSNATIONAL ORGANISED CRIME TURNS 25:
CELEBRATIONS, CHALLENGES, AND CONTROVERSIES

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Bericht Gastvortrag Prof. Dr. Schloenhardt

Am 30.10.2023 trug Prof. Dr. Andreas Schloenhardt, Strafrechtslehrer an der University of Queensland in Brisbane, Australien, und an der Universität Wien, im Rahmen der Gesprächsreihe Internationales Strafrecht zum Thema „Colonialism, Common Law and Codification: Die Entwicklung des Strafrechts im British Empire“ vor. Dabei lag der Fokus auf der Frage, wie sich die Strafrechtsentwicklungen in Großbritannien und in den verschiedenen Kolonien des britischen Empire gegenseitig beeinflusst haben und wie sich dies insbesondere in einer zunehmenden Kodifizierung des Strafrechts auswirkte.

Prof. Schloenhardt begann seinen Vortrag mit einer historischen Einleitung. Er schilderte, wie sich das British Empire seit Beginn der Kolonialisierungs-bewegungen gegen Ende des 16. Jahrhunderts stetig ausweitete und wie die Kolonialherren in den verschiedenen besetzten Gebieten auf ganz verschiedene Weise mit den dort vorgefundenen Strafrechtsordnungen umgingen. Während man sich in manchen Kolonien zumindest teilweise auf das vorgefundene Strafrecht „einließ“ und es zunächst zu einer Mischung von einheimischem und kolonialem Strafrecht kam (so z. B. in Indien), wurde anderenorts das vorgefundene Strafrecht sogleich umfassend durch eine eigene, koloniale Strafrechtsordnung ohne Rücksicht auf lokale Gegebenheiten ersetzt (so z. B. in New South Wales, Australien). 

Anschließend erläuterte Prof. Schloenhardt anhand beispielhaft ausgewählter Gebiete vertieft, wie sich das Strafrecht in den Kolonien entwickelte und welchen Einfluss dies z. T. auch auf strafrechtliche Entwicklungen in Großbritannien selbst oder in anderen Teilen der Welt hatte. Als Beispiel sei an dieser Stelle nur die Entwicklung in Indien aufgezeigt: Hier trat im Jahr 1862 der sogenannte „Indian Penal Code“ in Kraft; ein Strafgesetzbuch, das von einer von der Kolonialregierung eingesetzten Law Commission unter Leitung von Thomas Babington Macauly entwickelt worden war. Der Indian Penal Code ist – wenn auch mittlerweile vielfach geändert – bis heute das geltende Strafgesetzbuch u. a. Indiens. Inspiriert vom Indian Penal Code kam es im 19. Jahrhundert auch in Großbritannien selbst zu Kodifizierungsbewegungen. So erarbeitete etwa der englische Jurist und Philosoph James Fitzjames Stephens, angeregt durch einen mehrjährigen Aufenthalt in Indien, für die englische Regierung den sog. „Stephens Code“, eine umfassende Kodifizierung der damals in England geltenden gewohnheitsstrafrechtlichen Regelungen. Der auf Stephens Arbeit basierende Gesetzesentwurf wurde vom englischen Parlament jedoch abgelehnt – man hielt eine Kodifizierung für überflüssig. Aufgegriffen wurde der Entwurf allerdings in anderen Teilen des Empire, so etwa in Kanada und Neuseeland. Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie die strafrechtlichen Entwicklungen in unterschiedlichen Gebieten des Empire voneinander abwichen und doch Einfluss aufeinander hatten.

Zum Abschluss seines Vortrages lenkte Prof. Schloenhardt den Blick zurück in die Gegenwart. Er stellte Vor- und Nachteile von Common Law und kodifiziertem Recht einander gegenüber und warf abschließend die Frage auf, ob die Überreste kolonialen Strafrechts im heutigen Strafrecht der ehemals besetzten Gebiete eher als „koloniale Last“ oder als „koloniales Erbe“ zu betrachten seien. Die Beantwortung dieser Frage ließ Prof. Schloenhardt offen, gab jedoch einige Denkanstöße: Für eine Betrachtung als „Last“ spricht, dass das koloniale Strafrecht der indigenen Bevölkerung aufgezwungen und oft ohne jegliche Rücksichtnahme oder Einbindung der lokalen Einwohnerschaft durchgesetzt wurde, was erhebliche negative Konsequenzen für indigene Gruppen hatte und z. T. bis heute hat. Für eine Betrachtung als „Erbe“ könnte möglicherweise sprechen, dass die strafrechtlichen Entwicklungen in den Kolonialgebieten häufig ohnehin parallel zu Entwicklungen in anderen, nicht kolonialisierten Teilen der Welt liefen.

Diese Anregungen wurden nach Vortragsende in lebhaften Diskussionen bei Fingerfood und Getränken aufgegriffen.  

Lena Wasser

Bericht Gastvortrag Prof. Dr. Weinke

Am 17.10.2023 gab Frau Prof. Weinke, Historikerin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, einen vertieften Einblick in „Die Strafrechtswissenschaft der Bonner Republik und deren Deutung der NS-Vergangenheit“.

Während des Nationalsozialismus ging die „Selbstmobilisierung der deutschen Strafrechtswissenschaft“ im Sinne einer „Leit- und Legitimationswissenschaft“ für die NS-Rasse- und Lebensraumideologie einher mit einem institutionellen und personellen Aufwuchs bei gleichzeitiger Entfernung von Juden und Demokraten aus ihren Ämtern. Inhaltlich standen die Zeichen auf Radikalisierung einer bereits zuvor existenten völkisch-biologistischen Strafrechtswissenschaft, die der Aussonderung „Artfremder“ das Wort redete und damit den Boden für spätere Vernichtungspolitik bereitete.

Im Fokus der anfänglich noch starken Entnazifizierungsbestrebungen der Alliierten gegenüber den Justizjuristen lag paradoxerweise gleichzeitig ein Schritt zur „Rehabilitierung, Reintegration und Rekonsolidierung“ der westdeutschen Strafrechtswissenschaft. Deren Protagonisten sollten ebenso wie andere Rechtsprofessoren für die Demokratisierungspolitik der westlichen Besatzungsmächte gewonnen werden. Exemplarisch bezeugt wird dies durch den Auftritt der hochgradig NS-belasteten Strafrechtler Franz Exner und Edmund Mezger als Strafverteidiger im Nürnberger „Juristenprozess“. Während es – ausgehend vom berühmten Radbruch-Aufsatz (SJZ 1946, 105-108) – die sog. Positivismus-Legende erlaubte, sich als (angeblich wehrlose) Strafrechtler pauschal von der NS-Vergangenheit zu distanzieren, verhallten Appelle zur Selbstkritik (Bader, Arndt, Zinn) ungehört. Die 1954 eingesetzte Große Strafrechtskommission unter langjährigem Vorsitz von Edmund Mezger setzte sich aus weiteren NS-belasteten Strafrechtlern zusammen, von denen einige an Gesetzesverschärfungen im „Dritten Reich“ beteiligt gewesen waren. Die ersten Professorinnen wurden mit Anne-Eva Brauneck und Hilde Kaufmann in diesen Kreis in den 60er-Jahren aufgenommen. Die Scientific Community der Strafrechtswissenschaft strukturierte sich wie andere Gesellschaftsbereiche am Sicherheits- und Stabilitätsbedürfnis der jungen Bundesrepublik, was u. a. die personelle Kontinuität erklärbar macht.

Zwar hat es heute eine gewisse Öffnung der Strafrechtswissenschaft für die neuere Kulturgeschichtsschreibung mit einer dadurch ermöglichten Kontextualisierung anhand von Kategorien wie Generation, Geschlecht, Stand, Milieu, Politik und auch Ökonomie gegeben. Nach wie vor gibt es aber keinen analytisch geschärften Generationenbegriff, der die Struktur einer tendenziellen Gleichsetzung „der Strafrechtswissenschaft“ mit klassisch männlichen „Großdogmatikern“ aufgebrochen hat. Die langjährige Außenseiterposition von Frauen, Remigranten oder fachlichen „Exoten“ wirkt daher bis heute in der Fach-Community nach.

Im Anschluss kam es zu einer interessanten Debatte, mit Perspektiven aus der Studenten- und Schülerschaft belasteter Professoren sowie aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive.

Max Wrobel

Stellenausschreibung Wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in

Am Institut für ausländisches und internationales Strafrecht ist zum 01.01.2024 eine Stelle als Wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in zu besetzen. Die ausgeschriebene Stelle bietet die Möglichkeit zur Promotion. Näheres entnehmen Sie bitte der Ausschreibung.

Promotionspreis für Johannes Block

Das Institut für ausländisches und internationales Strafrecht gratuliert Herrn Johannes Block ganz herzlich zum Promotionspreis der Fakultät für seine Dissertation: "Reconciling Responsibility with Reality – A Comparative Analysis of Modes of Active Leadership Liability in International Criminal Law”.

Johannes Block erhält den Ernst Rabel Preis

Wir freuen uns mit und für Herrn Johannes Block, der auf der 38. Tagung der Gesellschaft für Rechtsvergleichung den Ernst Rabel Preis für herausragende rechtsvergleichende Dissertationen verliehen bekam. Aufgerufen zur Bewerbung waren Doktorand:innen, deren Promotionsverfahren in den Jahren 2019, 2020 und 2021 abgeschlossen wurden und die rechtsvergleichend promoviert haben.

Schwerpunktseminare Prof. Dr. Weißer

Informationen zu den Schwerpunktseminaren im Wintersemester 2020/2021 und Sommersemester 2021 Wintersemester 2021/2022 und finden Sie auf den Seiten Studium & Lehre.